Muslimische Gräber in Villingen.

Vorschriften für muslimische Bestattungen

Zu wenig islamische Gräber im ländlichen Raum

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Eva-Maria Elias
Eva-Maria Elias

Im Raum Freiburg werden muslimische Grabfelder knapp - trauernde Angehörige suchen teils verzweifelt nach einer Grabstätte. Ein muslimischer Bestatter appelliert an die Politik.

Wenn Angehörige sterben, ist das Grab für die Hinterbliebenen oft ein wichtiger Ort zum Trauern. Doch für muslimische Familien in Baden-Württemberg ist eine Bestattung in der Nähe ihres Wohnorts nicht immer möglich. Das hat eine SWR-Recherche ergeben. Besonders brisant ist demnach die Lage im Schwarzwald-Baar-Kreis und anderen ländlichen Landkreisen. Atilla Şahan ist Bestatter in Villingen (Schwarzwald-Baar-Kreis), wo es ein islamisches Grabfeld gibt. Zu ihm kommen regelmäßig Familien, die auf der Suche nach einer Begräbnisstätte für verstorbene Angehörige sind.

Familien fanden keine Grabstelle für verstorbene Kinder

So hätten sich vor einigen Wochen zwei Familien aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis an Atilla Şahan gewandt. Beide Familien hätten ein Kind verloren und wollten es in Villingen bestatten lassen, berichtet Şahan. Weil die Familien nicht in der Stadt Villingen selbst wohnhaft seien, durfte Atilla Şahan die Kinder nicht dort beerdigen. Madlen Falke, Pressesprecherin der Stadt Villingen-Schwenningen, betont, dass jede Kommune für die Bereitstellung der Gräber selbst verantwortlich sei: "Wenn wir Ausnahmen machen würden, hieße das im Umkehrschluss, dass wir die Bedarfe weit über die Stadtgrenzen hinaus bedienen müssten."

"Wenn es nach dem persönlichen Schicksal ginge, würden wir gerne jedem das Angebot machen. Aber für wen gilt dann eine Ausnahme und für wen nicht?"

Deshalb genehmige die Stadt auf dem Friedhof nur die Beerdigung von Menschen aus Villingen-Schwenningen.

Zu wenig muslimische Grabfelder in Baden-Württemberg

Nach Aussage mehrerer Friedhofsverwaltungen steigt die Nachfrage nach muslimischen Grabfeldern im Land. Mehr als sieben Prozent der Menschen in Baden-Württemberg sind laut des Statistischen Landesamtes muslimisch. Viele von ihnen sind hier geboren, haben ein Leben lang hier gewohnt und gearbeitet – und wollen schließlich auch hier beerdigt werden. Islamische Grabfelder gibt es überwiegend in Städten, doch dort dürfen meist nur diejenigen beerdigt werden, die in der Stadt wohnhaft waren.

Warum die beiden muslimischen Kinder nicht in Villingen beerdigt werden konnten, berichtete SWR-Reporterin Eva-Maria Elias im Hörfunk-Beitrag:

Erste muslimische Bestattung in Niedereschach

Der muslimische Bestatter Atilla Şahan versucht, das Beste aus den Umständen zu machen. Mit der Gemeinde Niedereschach (Schwarzwald-Baar-Kreis), in der eine der beiden Familien wohnt, die sich an Şahan gewandt hat, fand der Bestatter eine Einigung: Das verstorbene Baby konnte ohne Sarg auf dem örtlichen Friedhof bestattet werden. Die Eltern sind froh, das Kind in ihrer Nähe begraben zu wissen. Die fehlende Ausrichtung des Grabes nach Osten nehmen sie in Kauf. Traditionell sollen muslimische Gräber zur Kaaba, dem zentralen Heiligtum des Islams, nach Saudi-Arabien zeigen.

"Wir fühlen uns der Familie verpflichtet, sie wohnt hier. Da will man schon helfen, wie es möglich ist."

Atilla Şahan ist einer der wenigen muslimischen Bestatter:

Freiburg als letzte Option

Die andere Familie wird das Grab ihres verstorbenen Kindes eher selten besuchen können. Es wurde im muslimischen Grabfeld auf dem Friedhof in Freiburg-St. Georgen beerdigt. Dort lässt die Friedhofsordnung auch die Bestattung von Auswärtigen zu. Vom Wohnort der Eltern ist der Friedhof gut 50 Kilometer entfernt. Eine Anbindung mit Bus und Bahn gibt es nicht, die Familie hat kein Auto. "Eine Zumutung", findet Atilla Şahan.

Das muslimische Grabfeld auf dem Friedhof Villingen im Sonnenaufgang.
Die muslimischen Gräber auf dem Friedhof Villingen sind Richtung Osten ausgerichtet.

Atilla Şahan wendet sich an die Politik

Atilla Şahan steht immer wieder vor dem Problem, dass er Verstorbene nicht in der Nähe ihrer Angehörigen bestatten kann. Er geht nun aktiv auf die Gemeinden in der Umgebung zu. So möchte er ein Bewusstsein für diese Problematik schaffen.

"Wir müssen das für die Zukunft machen. Da muss von der Politik und den Bürgermeistern eine Lösung her."

Der Bestatter hofft, dass er mit einigen Gemeinden Lösungen finden kann, damit muslimische Personen künftig in ihrer Region beerdigt werden können.

Wachsende Nachfrage nach Grabstätten auch in Freiburg

Nach Angaben der Friedhofsverwaltung wollen auch im Freiburger Stadtteil St. Georgen immer mehr Menschen ein muslimisches Grab. Erst im letzten Jahr sei deshalb das muslimische Grabfeld erweitert worden. Wöchentlich werde auf dem Friedhof St. Georgen mindestens eine verstorbene muslimische Person beerdigt, jährlich gebe es also gut 50 islamische Bestattungen. Demnach dürfte das 2022 eröffnete Grabfeld Ende dieses Jahres bereits voll belegt sein. Der Friedhof plant deshalb für das kommende Jahr die nächste Erweiterung.

Sonnenaufgang über den geschmückten muslimischen Gräbern in Villingen.
Sonnenaufgang über den geschmückten muslimischen Gräbern in Villingen.

Muslimische Grabfelder in den Städten

In Stuttgart steige die Nachfrage nach muslimischen Gräbern kaum. Das teilte die Stadt dem SWR mit. Jährlich würden auf dem Hauptfriedhof in Bad Cannstatt etwa 55 Musliminnen und Muslime beerdigt. Mit dem 2021 eröffneten Grabfeld stünden in der Landeshauptstadt knapp tausend muslimische Grabstellen zur Verfügung, so die Stadtverwaltung. Aktuell seien knapp zwei Drittel davon belegt.

In Mannheim hingegen wachse das Interesse an muslimischen Gräbern seit 2014, ein weiterer Anstieg sei mit der Corona-Pandemie gekommen, so die Stadt Mannheim. Dort würden pro Jahr knapp 60 muslimische Beerdigungen stattfinden. Ein ganzer Bereich des Mannheimer Hauptfriedhofs sei für muslimische Gräber vorgesehen. Während die Grabstellen in Stuttgart nur in Ausnahmefällen an Auswärtige vergeben werden, können in Mannheim und Freiburg auch Verstorbene aus anderen Städten und Gemeinden beerdigt werden.

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