Ein Arzt untersucht seinen Patienten in einer Arztpraxis.

Medizinische Versorgungszentren auf dem Land

Investoren in Hausarztpraxen in RLP: Fluch oder Segen?

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Verena Lörsch
Verena Lörsch
Constantin Pläcking
SWR-Reporter Constantin Pläcking aus dem Studio Koblenz.

Um dem Ärztemangel zu begegnen, scheinen Medizinische Versorgungszentren (MVZ) eine Lösung zu bieten. Doch hinter manchen MVZ stehen Investoren - wie Centric Health.

Vor knapp einem Jahr übernahm die irische Praxiskette Centric Health die Loreley Tagesklinik in Oberwesel - eine politisch umstrittene Entwicklung. Einige Akteure vor Ort atmeten auf, da mittelfristig der Bestand der Klinik gesichert schien. Andere wiesen darauf hin: Centric Health hat in Rheinland-Pfalz weitere Pläne, als nur ein Krankenhaus zu betreiben. Die Klinik sei die Eintrittskarte in einen weit lukrativeren Markt: den der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). Denn damit sie überhaupt in den Markt einsteigen können, müssen die Investoren in Deutschland ein Krankenhaus besitzen.

Nach Übernahme der Loreley Klinik Oberwesel: Centric Health kauft MVZ

In einem MVZ arbeiten mehrere Hausärzte oder Fachärzte gemeinsam unter einem Dach. Die Ärztinnen und Ärzte sind zumeist bei dem Zentrum angestellt, können individuelle Arbeitszeiten vereinbaren. Das Risiko trägt jemand anderes. Oft sind das andere Ärzte, die unternehmerisch tätig sein wollen, an manchen Stellen auch Kommunen oder Krankenhäuser. Aber immer häufiger sind es Investoren, die über den Umweg eines Krankenhauses einsteigen.

Im Fall der irischen Firma Centric Health kommt das Geld von der Rothschild-Bank aus Luxemburg. Nach eigenen Angaben will Centric Health vor allem die Hausarztversorgung verbessern und sieht sich selbst als Beispiel für ein neues Arbeitsmodell, bei dem Ärzte nicht mehr selbstständig sind, sondern angestellt. Um allen Papierkram kümmert sich Centric Health.

Centric Health kauft MVZ im Donnersbergkreis und im Kreis Bad Kreuznach

Die Vorteile investorengeführter MVZ hat auch Arzt und Medizinunternehmer Heinz Peter Dilly gesehen. Dilly hat sich in den vergangenen Jahren ein MVZ mit mehreren Nebenstandorten im Kreis Bad Kreuznach aufgebaut. Dazu investierte er in den Neubau moderner Praxisräume und schuf das Forum Valentinum in Hargesheim. Ende 2022 kam Dilly dem Ortsbürgermeister von Obermoschel im Donnersbergkreis zu Hilfe. Dieser suchte seit dem Sommer fieberhaft nach einer Nachfolge für eine Hausarztpraxis in dem 1000-Einwohner-Ort.

Obermoschel

Medizinische Versorgungszentren Irischer Investor übernimmt MVZ-Kette mit Standort Obermoschel

Vor kurzem wurde Obermoschels Hausarzt-Praxis Teil einer MVZ-Kette. Nun wurde diese von der irischen Firma Centric Health übernommen. Das stößt auf Kritik.

Am Morgen SWR4 Rheinland-Pfalz

Dilly erklärte sich bereit, die Praxis zu übernehmen - forderte aber im Gegenzug ein Entgegenkommen für sein nächstes Großprojekt. Bis 2024 will er in Obermoschel das nächste MVZ aufbauen. Um die zahlreichen Praxen zu betreiben, hat Dilly seine MVZ-GmbH an Centric Health verkauft. Er bleibe allerdings medizinischer Leiter und die Immobilien in seinem Besitz.

"Medizinisch darf hier niemand von Außen reinreden. Der medizinische Leiter ist alleinbestimmend."

Nachteile sieht der Medizinunternehmer in dem Verkauf nicht. "So kann ich gewährleisten, dass das MVZ Minimum noch zehn Jahre weiter bestehen wird", so der Arzt. Der Vorteil der Übernahme durch Centric Health liege darin, dass "das MVZ nicht mehr von einer Person abhängig ist, bei plötzlicher Erkrankung oder ähnlichem führerlos wäre". Dank Centric Health könne er die "Laufarbeit", Administratives und Personalaufgaben abgeben - das sei eine große Entlastung. Und: "Medizinisch darf hier niemand von Außen reinreden. Der medizinische Leiter ist alleinbestimmend", ist sich Dilly sicher.

Medizinunternehmer Heinz Peter Dilly übernimmt Hausarztpraxis Obermoschel und plant ein MVZ
Medizinunternehmer Heinz Peter Dilly steht auf seinem neuen Grundstück in Obermoschel, hier soll in eineinhalb Jahren sein neues MVZ stehen.

Investoren bieten den Ärzten viel Geld für ihre Praxen an

Der Verkauf der eigenen Praxis oder Praxiskette an einen externen Geldgeber ist für den bisherigen Inhaber attraktiv, weiß Dr. Angelika Guth aus dem Donnersbergkreis, die dem Kardiologenverband BNK in Rheinland Pfalz vorsitzt. Als gut vernetzte Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie, die in Frankenthal praktiziert, weiß sie um die hohen Summen, die ihren Kolleginnen und Kollegen geboten werden. Sie habe von Praxisinhabern erfahren, die von externen Geldgebern 50 Prozent mehr für ihre Praxis bekämen, als sie nach "normalen" Marktpreisen erzielt hätten. "Teilweise sind das Firmen, die am Kapitalmarkt ihr Geld verdienen. Die vernetzen die Praxen regional, bluten die aus, verkaufen die Praxen dann wieder und machen Rendite", so Guth.

"Die inhabergeführte Praxis ist das ,Non-Plus-Ultra'! Hier entstehen langfristige Bindungen."

Auch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz sieht Vorgänge wie den Aufkauf von Praxen durch Centric Health kritisch. "Als KV schlagen bei uns zwei Herzen in einer Brust", sagt Dr. Andreas Bartels, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KV aus Mainz. Auf der einen Seite setze er sich für die gesundheitliche Versorgung ein - und diese erfüllten die Medizinischen Versorgungszentren. "Das Kapital ist da, es wird investiert - das ist erstmal gut."

Auf der anderen Seite laute die Prämisse der KV: "Die inhabergeführte Praxis ist das ,Non-Plus-Ultra'! Hier entstehen langfristige Bindungen." Bei MVZ mit externen Geldgebern sei zu befürchten, dass die Zentren nach fünf Jahren wieder verkauft werden, "und wir dann vor den gleichen Versorgungsproblemen stehen wie jetzt", so Bartels.

Hausarzt aus Oberwesel kritisiert Verkauf an Centric Health

Befürchtungen wie diese äußerte bereits 2021 Axel Strähnz, Allgemeinmediziner in Oberwesel. Gemeinsam mit anderen Hausärzten hatte er mit einem offenen Brief an die Politik versucht, den Verkauf der Loreley Tagesklinik zu verhindern. Hausarzt Axel Strähnz befürchtet auch heute noch, dass die Versorgungsqualität in den Centric Health-MVZ leiden könnte, weil hinter Centric Health ein Private-Equity Investor mit einer Renditeerwartung stehe. Die Mehreinnahmen müssten irgendwo herkommen. "In einem pauschalen System kann ich nur mehr Geld verdienen, wenn ich mehr Pauschalen einnehme", so Strähnz. Oder es sei eben durch Zusatzleistungen (IGeL) möglich, die von der Krankenkasse nicht bezahlt werden, sondern privat vom Patienten.

Centric Health Deutschland weist das zurück. Für sie würden die gleichen Regeln, Abrechnungssystematiken und Vergütungsstruktur wie für alle anderen auch gelten. In Irland würde sich Centric Health seit 2003 im Hausarztbereich engagieren und die ärztliche Entscheidungsfreiheit sei auch dort zu 100% gewährleistet. Sie würden ihre Partnerschaften "basierend auf Kontinuität" planen.

Kurzfristige Ausstiegsklausel im Vertrag

In den Reihen der Oberweseler Lokalpolitik waren einige Akteure unglücklich über die Klinik-Übernahme durch Centric Health, wie etwa die Grünen. Stadtbürgermeister Marius Stiehl (CDU) steht weiterhin zu dem Verkauf an Centric Health. Ohne den Investor gäbe es die Klinik nicht mehr und das Engagement sei auf Langsfristigkeit ausgelegt. Nach SWR-Informationen soll der Kaufvertrag eine Klausel enthalten, mit der sich Centric Health nur dazu verpflichtet, die Klinik für vier Jahre zu betreiben.

Das 2003 gegründete irische Unternehmen ist in Irland und den Niederlanden aktiv. Die Praxen von Centric Health in den Niederlanden riefen die dortige Gesundheitsaufsicht auf den Plan. Auf Anfrage gibt diese an, die "Qualität der Gesundheitsversorgung" einer Praxis in Rotterdam untersucht zu haben. Die Zeitung "De Telegraaf“ berichtet zudem über "Einschüchterungen und Bedrohungen" gegen Patienten in niederländischen Praxen, die zum Einsatz von Wachpersonal geführt habe.

Centric Health weist auf Anfrage zurück, dass es Einschüchterungen und Bedrohungen gegeben habe.

Lauterbach will Investoren aus MVZ verbannen

Von der Hand weisen lässt sich nicht: Hinter Unternehmen wie Centric Health stehen Private-Equity-Geldgeber wie die Rothschild-Bank. Ohne eine Renditeerwartung würde sich deren Investment nicht lohnen. Genau hier setzt auch die Kritik vieler Akteure im Gesundheitswesen an. An die Spitze stellt sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. In einem Interview mit der "Bild am Sonntag" kündigte er bereits im Dezember einen Gesetzesentwurf an, der "den Einstieg dieser Heuschrecken in Arztpraxen unterbindet". Laut dem Bundesgesundheitsministerium soll der Gesetzentwurf noch in diesem Jahr vorgelegt werden.

Kritik: Investoren ziehen Geld aus dem Gesundheitssystem

Das Geld für die zusätzliche Rendite könnte dadurch kommen, dass die Medizinischen Versorgungszentren laut einer Studie deutlich mehr Geld bei den Krankenkassen abrechnen, als Einzelpraxen es bei vergleichbaren Patienten machen würden. Die Frage ist also: Kostet diese Form der Versorgung die Krankenkassen mehr?

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