Das vorgelesene Buch erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Immer öfter erscheint zu einem auflagenstarken Buch bei der Erstveröffentlichung auch gleich eine Hörbuch-Version.
SWR Kultur stellt Hörbuch-Neuerscheinungen vor sowohl zu aktuellen Büchern, als auch zu Klassikern der Literaturgeschichte.
Hörbuch Einfühlsam: Barbara Stoll liest „Bis hierher war’s ein weiter Weg“ von Jami Attenberg
Dass Autorinnen und Autoren nur selten vom Schreiben leben können, ist bekannt. Wie es sich aber tatsächlich anfühlt, das eigene Appartement untervermieten zu müssen und sich mit schlecht bezahlten Veranstaltungen über Wasser zu halten, erzählt die Autorin Jami Attenberg hier. Dieses Hörbuch ist beides: Ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht und eine Liebeserklärung an das Schreiben, faszinierend erzählt und von Barbara Stoll feinfühlig gelesen.
Hörbuch Eindringlich: Eray von Egilmez liest „Vatermal“ von Necati Öziri
Arda kann sich an seinen Vater kaum erinnern. Er war noch klein, als dieser die Familie verließ, um in die Türkei zurückzugehen. Nun, als schwerkranker junger Mann, schreibt er seine Erinnerungen auf, um den Vater nicht aus seiner Verantwortung zu entlassen und um ihm zu zeigen, wie sehr sie zu kämpfen hatten. Eray von Egilmez liest diese Geschichte mit einem eindringlichen Rhythmus, Tiefgang und einer guten Portion Humor.
Hörbuch Spektakulär: Christian Brückner liest „Hinab in den Maelström“ von Edgar Allan Poe
Ein Naturschauspiel, das zur tödlichen Gefahr werden kann – davon erzählt Edgar Allan Poe in dieser kurzen Geschichte. Das Fischerboot dreier Brüder gerät in einem Sturm zu dicht an einen alles verschlingenden Strudel. Dass der Erzähler überlebt, ist offensichtlich, dennoch entwickelt diese Geschichte die typische Spannung à la Poe. Sprecherlegende Christian Brückner setzt den Text wirkungsvoll in Szene, gemeinsam mit dem Martin Auer Quintett, das weit mehr als musikalische Untermalung beisteuert. Ein Hörbuch für Text- und Jazzfans gleichermaßen.
Hörbuch Ausgezeichnet: Matthias Brandt liest „Blackbird“
Der Schauspieler und Autor Matthias Brandt wird 2024 für „Verdienste um die deutsche Sprache“ mit der Carl-Zuckmayer-Medaille des Landes Rheinland-Pfalz ausgezeichnet. Diese Verdienste werden nirgendwo sonst besser hörbar, als wenn er seinen eigenen Roman liest. In „Blackbird“ erzählt Matthias Brandt die Geschichte der Freundschaft zwischen Morten und Bogi. Als Bogi ins Krankenhaus kommt, muss Morten plötzlich mit allem allein klarkommen und müsste er sich nicht auch um Bogi kümmern? Matthias Brandt hat einen berührenden Roman aus der Sicht eines 15-Jährigen geschrieben, lustig und traurig zugleich, von ihm selbst großartig gelesen.
Hörbuch Nachhaltig: Torben Kessler liest „Tasmanien“ von Paolo Giordano
Der Autor und Journalist Paolo erfährt, dass er nie Vater werden wird. Diese Krise ist für ihn der Auslöser, sich intensiv mit anderen Krisen dieser Welt zu beschäftigen. Obwohl er in seinem eigenen Leben strauchelt, ist er für andere ein verlässlicher Ansprechpartner. Paolo Giordano gibt dieser Geschichte einen ruhigen Erzählfluss, den Torben Kessler perfekt aufgreift. So bietet „Tasmanien“ zwar keine großen Überraschungen, aber viele nachhaltig wirkende Bilder und Gedanken.
Hörbuch Distanziert: Nina Kunzendorf liest „Der Vorweiner“ von Bov Bjerg
Die Welt am Ende des 21. Jahrhunderts: In Resteuropa lebt eine Niederschicht davon, dass sie den Anderen einfache Arbeiten anbietet, für die sie bezahlen. Endlich mal wieder dreckige Hände von der Gartenarbeit! Diese Menschen sind so entfremdet, dass sie Geflüchtete als Vorweiner engagieren, damit diese nach ihrem Tod um sie weinen. Ein paar von ihnen, Anna, ihre Tochter Berta und ihren Vorweiner Jan, lernen wir kennen in Bov Bjergs Zukunftsdystopie, die erstaunlich leicht daherkommt, trotz aller Grausamkeiten. Nina Kunzendorf findet dafür die perfekte ironisch-distanzierte Haltung.
Hörbuch Überzeugend: Edith Stehfest liest „Mein Papa, die Unglücksspiele und ich“ von Gundi Herget
Glücksspiele – das hat nichts mit „Mensch ärgere dich nicht“ oder „Memory“ zu tun, das lernt Alina, als ihre Mutter ihren Papa eines Tages vor die Tür setzt. So schockiert Alina zunächst ist, begreift sie doch, dass das nötig war. Zumindest, als ihr endlich jemand erklärt, was eigentlich los ist. Das Hörbuch, mit kindlich überzeugender Stimme von Edith Stehfest gelesen, erklärt das Thema Glücksspielsucht einfach und doch ohne zu beschönigen. Ein überzeugendes Plädoyer dafür, Kindern Probleme nicht zu verheimlichen.
Hörbuch Im Bewusstseinsstrom: Nele Pollatschek liest „Kleine Probleme“
Auf der To-do-Liste von Lars Messerschmidt stehen 11 Punkte und die haben es in sich: Putzen, Steuern, Lebenswerk usw. Bei ihm hat sich so Einiges angestaut und er hat nur noch einen Tag Zeit, um nicht nur Ordnung in sein Haus, sondern auch in sein Leben zu bringen. Nele Pollatschek hat ein furioses Aufräumbuch geschrieben, das nicht nur erklärt, weshalb Ordnung nur theoretisch möglich ist, sondern einen mitreißt in ein wildes Abenteuer des Erledigens. Virtuos gelesen von ihr selbst – da wird es ganz unwichtig, dass es merkwürdig ist, wenn eine junge Frau einem 49-jährigen Ich-Erzähler ihre Stimme gibt.
Hörbuch Zauberhafte Vielfalt: „Märchenland für alle“
Was passiert eigentlich, wenn man Märchen so erzählt, dass auch Menschen vorkommen, die nicht den typischen Bildern entsprechen? Es entstehen neue Märchen. Märchen, die immer noch bekannte Elemente haben und trotzdem überraschen. Gesprochen von einem hochkarätigen Ensemble mit Annette Frier, Jasmin Shaudeen, Markus J. Bachmann u.v.a. entsteht so eine besondere Sammlung von Geschichten, deren Ziel nur eins sein kann: Mit den bekannten Märchen erzählt zu werden, damit sie eben nichts Besonderes mehr sind.